Züchten heißt...

sich bewusst zu sein, dass man gegenüber seinen Hunden, den neuen Welpenbesitzern und der Umwelt eine große Verantwortung trägt. Ich hätte nie mehr einen Wurf geplant, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, dass ich eine Zuchthündin mein Eigen nennen darf, bei der es sich lohnt, ihre Gene weiterzugeben. Bei der Auswahl des Zuchtrüden lege ich nicht nur auf das Äußere mein Augenmerk, sondern auch auf die charakterlichen Eigenschaften.

Ich bevorzuge Briards, die mit uns den Alltag meistern. Dazu bedarf es aber nicht nur guter Gene, sondern auch viel Vorbereitung während der Aufzucht auf das zukünftige Leben in unserer menschlichen Welt.

Dazu ein kurzes Pamphlet:


Prägungs-und Sozialisationsphase:

Ab dem Alter von 18 – 20 Tagen beginnen die Welpen zu lernen. D.h. Erfahrungen werden gespeichert, womit sie sehr anpassungsfähig werden. Vorher sind sie aufgrund ihres Entwicklungszustandes sehr vor dem Einfluss der Umgebung auf ihre Psyche geschützt, danach reagieren sie jedoch sehr sensibel auf ihre Umwelt. Sie beginnen auf Menschen und Tiere zu reagieren. Auch das Fluchtverhalten beginnt ab diesem Alter. Sie sind jetzt aufgrund ihrer rasanten Gehirnentwicklung sehr aufnahmefähig. Sie lernen Regeln im Umgang mit anderen Lebewesen und gewöhnen sich an Umweltreize. Dafür müssen sie allerdings auch mit vielen verschiedenen Reizen konfrontiert werden.

Auch Frustrationstraining findet statt, welches wichtig ist für ihre Entwicklung. Die Mutter zeigt ab einem gewissen Alter der Welpen teilweise aktive Ablehnung, wenn die Welpen zu häufig an ihre bis dahin sehr strapazierten Zitzen wollen. Ab der 5. Woche zeigen sich Angstverhalten oder Fluchtverhalten vor Unbekanntem und dagegen Freude an bekannten Dingen und soziale Beziehungen mit den Lebewesen in ihrer Umgebung. Bis zur 8.Woche entwickelt sich ihre Sprache, Knurrlaute, Haar sträuben, Nasenrückenrunzeln, aufgerichtete Körperhaltung und erhobene Rute, sie zeigen aktive sowie passive Unterwerfung und die dazugehörige Mimik. All diese Dinge sind für ihr weiteres Leben von enormer Wichtigkeit. Hunde, die keine Unterwerfungsgesten oder Spiel gelernt haben, werden es nur sehr schwer im jugendlichen oder besonders im erwachsenen Alter lernen. Mit ca. 7 -8 Wochen entsprechen die Sinnesorgane denen erwachsener Tiere, dies gilt auch für die Bewegungsabläufe, wobei die Bewegungen selber noch ab und an unbeholfen aussehen.

Während dieser Sozialisationsphase lernen Welpen, wie man mit anderen Hunden, mit Menschen und anderen Tieren (Katzen, Hasen, Rinder, Pferden etc.) umgeht. Zunächst lernen sie im Umgang mit ihren Geschwistern, dass es sich nicht lohnt, wenn man mit Freunden zu grob umgeht, da es nur Nachteile hat. Zu grobes Anrempeln oder Beißen führt zum Abbruch des Spiels oder dazu, dass zurückgerempelt oder zurückgebissen wird. Auf diese Weise wird die Beißhemmung erlernt, sie ist nicht angeboren. In diesem Zeitraum sollten Welpen Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Menschen sammeln, Frauen, Männer, Kinder, Dünne, Dicke, mit und ohne Bart, evtl. Behinderte. Sie sehen nicht nur verschieden aus, sondern riechen auch anders und bewegen sich unterschiedlich.

Sie sollten in diesen ersten Wochen mit den Maßnahmen der Körperpflege vertraut gemacht werden. Dadurch lernen sie vordergründig sich überall anfassen zu lassen. Nicht nur der Tierarzt wird es danken. Sie sollten alle möglichen Gegenstände erkunden dürfen und vielen verschiedenen akustischen Reizen ausgesetzt werden. Dinge, die der Züchter (ich) in dieser Zeit versäumt, können meist nie wieder aufgeholt werden. Diese Hunde leiden oft unter generalisierter Angst, sind unsicher und haben Probleme mit Alltagssituationen und anderen Lebewesen.

Mit 8 Wochen kommen die meisten Welpen in ihr neues zuhause. Die während der letzten Wochen begonnene Gewöhnung an die Umwelt muss nun intensiv weitergeführt werden. Kann der Welpe / Junghund in den folgenden Monaten nicht weiterhin ausreichend Erfahrungen sammeln, sind Rückschritte die Folge und damit kommt es erneut zu gesteigerter Unsicherheit und Ängstlichkeit. Zu wenig Erfahrung führt, ebenso wie schlechte Erfahrungen, zu Angst. Außerdem kann eine einzige schlechte Erfahrung prägend sein. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man den Welpen mit Samthandschuhen anfassen soll, nur hundegerecht muss es sein. Der Welpe muss erst lernen unsere Körpersprache zu verstehen und wir wiederum müssen eine ganze Menge über dessen Körpersprache lernen, ansonsten kommt es immer wieder zu Missverständnissen und Frust baut sich auf.
D.h. spätestens nach 2 – 3 Tagen in seinem neuen zuhause sollte der Welpe Kontakt zu anderen Hunden und Menschen erhalten.

Bevor allerdings der Welpe ins Haus kommt sollte einiges vorbereitet sein. Dazu gehört u.a. passendes Halsband oder Geschirr, Leine, zwei Näpfe, Liegedecke, Bürste, Kauspielzeug etc. Das Hundefutter wird i.d.R. vom Züchter (sprich mir) für die Übergangszeit mitgegeben. Evtl. muss die Wohnung etwas „welpensicher“ gemacht werden. Sichtbare Kabel sind bevorzugte Nageobjekte. Giftige Pflanzen sollten auch aus Wohnung und Garten entfernt werden. Aus Erfahrung kann ich berichten, dass man wirklich lernt aufzuräumen. Denn die Lieblingsschuhe sollten wirklich nicht in der Nähe des Welpenspielplatzes liegen. Alle Familienmitglieder sollten sich vorher im Klaren darüber sein, wo der Welpe schlafen soll. Oft ist eine Box mit einer ihm vom Geruch her bekannten Decke sehr sinnvoll. Wenn sie später nicht wollen, dass der erwachsene Hund im Bett oder auf der Couch schläft, sollten sie ihm dies auch nicht als Welpe gestatten. Falls Kinder mit im Haushalt leben, sollte man ihnen erklären, dass schlafende Welpen nicht geweckt werden dürfen. D.h. er braucht ein ruhiges Plätzchen, wo er sich zurückziehen kann. Die Fütterung erfolgt am Anfang in drei Portionen auf den Tag verteilt. Eine Futterumstellung sollte peu á peu erfolgen.

Ich werde jetzt nicht auf alle erdenklichen Erziehungsschritte eingehen. Ich bevorzuge, dies in langen Gesprächen und praktischer Arbeit mit den Welpenerwerbern fortzuführen. Nach 16 Jahren Erfahrung als Trainerin von Welpengruppen würde dies in schriftlicher Form wahrscheinlich sonst ausarten und die Homepage sprengen. Zudem man jedes Team als individuell ansehen muss und Verallgemeinerungen nicht immer sinnvoll sind.

Ich bin mir völlig bewusst, dass nach 8 Wochen Welpenaufzucht meine Arbeit nicht erledigt ist. Soweit meine Familie, unsere Hunde und meine „Jobs“ es mir ermöglichen, will ich für die neuen Briardbesitzer mit Rat und Tat zur Seite stehen. Vielleicht ist nicht immer alles ad hoc möglich, aber keine Sorge: ich bin ziemlich belastbar :).

Irene


Züchterin im cfh (Club für Französische Hirtenhunde e.V.), angeschlossen dem VDH und FCI